Wer aufmerksam ist, kann die feinen Gesten wahrnehmen, mit denen Pferde uns Zuneigung zeigen.
Wenn sich zwei Menschen ineinander verlieben, dann schlagen ihre Herzen in einem Takt. Schauen sich Paare für drei Minuten in die Augen, stimmt sich der Herzschlag aufeinander ab.
Jetzt haben Wissenschaftler aus Italien ein ähnliches Phänomen zwischen Reitern und Pferden entdeckt. Die Ergebnisse einer Pilotstudie legen nahe: Es gibt auch zwischen Mensch und Pferd Situationen, in denen sich der Herzschlag synchronisiert – ein Zeichen für Zuneigung.
Starke Verbindung
Forscher erobern sich mehr und mehr Wissen über die geheimnisvolle Gefühlswelt von Pferden. Studien belegen, was wir Reiter intuitiv fühlen – dass ein starkes Band Mensch und Pferd verbindet: Die Vierbeiner erinnern sich nach Monaten ohne jeglichen Kontakt an ihre Trainer und deren Stimme. Sie sind in der Nähe von Reitern ruhiger und entspannter als bei Anwesenheit von Nicht-Reitern. Und sie schenken vertrauten Menschen ein besonders hohes Maß an Aufmerksamkeit.
Was ist Zuneigung?
„Ob Pferde so etwas empfinden, was wir als Zuneigung definieren, wissen wir allerdings nicht sicher“, sagt Kate Farmer. Laut der Psychologin und Verhaltensforscherin ist Zuneigung ein Begriff aus der menschlichen Gefühlswelt – und nicht eins zu eins auf Tiere übertragbar.
Sprechen Experten im Zusammenhang mit Pferden von Zuneigung, verstehen sie darunter folgendes: Das Tier bewertet sein Gegenüber als positiv und verbindet mit ihm angenehme Gefühle. Bindungen bei Pferden basieren vor allem auf Vertrauen.
Mag mein Pferd mich?
Können Pferde in der Nähe des Besitzers relaxen, ist das ein Vertrauensbeweis. Und damit ein Zeichen für Zuneigung. Beim Entspannen hängt bei einigen Pferden die Unterlippe locker nach unten, die Augen sind halb geschlossen, der Hals senkt sich und die Ohren kippen zur Seite. Manche Pferde entlasten auch ein Hinterbein.
Wenn sich ein Pferd mit dem Reiter wohlfühlt, akzeptiert es diesen im Umgang normalerweise auf beiden Seiten seines Körpers. „Bei Stress kann es sein, dass ein Pferd versucht, den Reiter mehr auf seine linke Seite zu bekommen“, weiß Kate Farmer. Was steckt dahinter? Was das linke Auge sieht, wird zur rechten Gehirnseite weitergeleitet – dem Gefühlszentrum des Pferds. Dort verarbeitet das Gehirn aufregende Erlebnisse.
Freudige Begrüßung
Der Willkommensgruß verrät einiges darüber, wie das Pferd zu einem Menschen steht. Schnuppert Ihr Vierbeiner an Ihrem Handrücken, wenn Sie ihm diesen zur Begrüßung hinhalten? Die Kontaktaufnahme mit der Nase ist vergleichbar mit dem Handschlag unter Menschen. Es heißt: Ich akzeptiere dich.
Ihr Pferd begrüßt Sie mit einem freundlichen Blubbern oder Wiehern? Auch das kann ein Zeichen von Zuneigung sein – aber nicht in jedem Fall. Betritt der Besitzer stets mit einem Leckerli die Weide, gilt die Freude wahrscheinlich eher dem Futter. Wer testen will, ob das Pferd aus echter Zuneigung wiehert oder eher aus Futtergier, sollte ein paar Wochen keine Snacks zur Begrüßung mitbringen.
Extreme Kletten
Manche Pferde sind extrem anhänglich: Sie lassen den Reiter nicht aus dem Blick, wiehern ihm hinterher oder hören sofort auf zu fressen, wenn der Besitzer kommt. Für den Reiter ist das schmeichelhaft.
Aber Vorsicht: Meistens sind Pferde extrem anhänglich, weil sie ein Sozialverhalten mit anderen Pferden nicht ausleben können. Das Pferd hat beispielsweise zu wenig Kontakt zu anderen Pferden. Übertriebene Anhänglichkeit kann also auch ein Hinweis sein, dass dem Pferd ein Kumpel in der Gruppe fehlt. Und bei aller Liebe kann der Mensch dem Pferd niemals den Artgenossen ersetzen.
Tatsächlich bringt eine artgerechte Haltung Pferde dem Menschen sogar näher: Pferde aus guten Haltungsbedingungen gehen nämlich freundlicher auf Menschen zu als Tiere aus schlechter Haltung.
Anpassungsfähigkeit
Pferde passen ihr Verhalten blitzschnell an. Eine Fähigkeit, die vor allem bei sozialen Tieren ausgeprägt ist. Sie lernen schnell von anderen. Das ist toll fürs Training, teils aber auch tückisch. Bemerkt der Reiter Zuneigungssignale im Alltag nicht, lernt das Pferd: Der Mensch versteht mich nicht. Es kann dann passieren, dass Pferde bestimmte Zuneigungsbekundungen dann nicht mehr zeigen.
Bei manchen Reitern ist ein dösendes Pferd verpönt. Sie wünschen sich stets Aufmerksamkeit. Spüren das die Pferde, werden sie keine Entspannungsgesten mehr zeigen.
Solche Pferde stehen selten mit gesenktem Kopf und halbgeschlossenen Augen neben dem Reiter. Die Tiere haben gelernt, dass Entspannung vom Menschen nicht als Zuneigung wahrgenommen wird und unerwünscht ist. Also legen sie das Verhalten ab.
Schubbern aus Liebe?
Manche Reiter finden es auch schön, wenn das Pferd sich an ihnen schubbert. Sie sehen das missverständlicherweise als Zeichen der Freundschaft und stemmen sich teils noch dagegen, damit das Pferd sich richtig ausleben kann. Das Pferd denkt dann, der Mensch mag das Verhalten und praktiziert es vermehrt. In dem Fall ist das Verhalten eher konditioniert und kein Ausdruck freundlicher Gefühle.
Sanft zurückweisen
So schön es ist, wenn Pferde Zuneigung zeigen – manchmal geht es nicht anders, und wir müssen den Liebling zurückweisen.
Wer Grenzen auf faire Art setzt, schadet damit nicht der Beziehung. Klare Regeln herrschen auch innerhalb der Herde und zwischen den besten Pferdefreunden.
Höflichkeitsgesten
Noch ein Tipp: Wer nicht möchte, dass Zuneigungsgesten beim Pferd verlorengehen, sollte das Tier gut im Alltag beobachten. Achten Sie bereits beim Putzen gezielt auf Körpersignale Ihres Pferdes. Kopfsenken, ein Schritt zurück, ein Blick zur Seite und neutral seitwärts gestellte Ohren – das alles sind Höflichkeitsgesten, die wir Reiter im Stress oft übersehen. Über ein Lob dafür freut sich das Pferd – und es stärkt die Beziehung